Madlen Krippendorf

Deutschland

Barrierefrei reisen: Zehn Kulturentdeckungen für Menschen mit und ohne Einschränkungen

„Sie schritten durch den Park, und das Schlößchen von Rheinsberg, weiß und adrett, sah ihnen freundlich zu.“ In seiner Novelle „Rheinsberg: Ein Bilderbuch für Verliebte“ beschreibt Kurt Tucholsky Schloss Rheinsberg nördlich von Neuruppin als einen Sehnsuchtsort. Bis heute ist das malerische Anwesen am Grienericksee ein beliebtes Ziel für romantische Tagesausflüge – auch für Menschen mit Behinderungen! Für die „Arbeitsgemeinschaft Leichter Reisen – Barrierefreie Urlaubsziele in Deutschland“ gehört das Schloss zu den zehn Empfehlungen für Kulturinteressierte für Sommer und Herbst 2025 in verschiedenen Städten und Regionen Deutschlands.

Ruppiner Seenland: Preußische Pracht und sommerliche Kultur

1. Schloss Rheinsberg

Schloss Rheinsberg ist ein architektonisches Juwel in einer der idyllischsten Landschaften Brandenburgs, dem Ruppiner Seenland. Es fasziniert durch seine Verbindung zur preußischen Königsfamilie sowie seine Rolle in der Aufklärung. Bei Schlossführungen sehen Besucher Gemälde, Büsten, Möbel und Kunsthandwerk aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Highlights sind die rekonstruierten Räume des jungen Kronprinzen Friedrich, später Friedrich der Große. Für Menschen mit Einschränkungen gibt es spezielle Führungen und rollstuhlgerechte Zugänge. Zwischen Juni und September lockt der Festivalsommer mit Opernaufführungen und Klassikkonzerten in den Schlosshof.

2. Schloss Oranienburg

Ebenfalls eng mit der brandenburgisch-preußischen Geschichte verbunden ist Schloss Oranienburg, das nur wenige Kilometer nördlich der Berliner Stadtgrenze steht. Es ist eines der bedeutendsten Barockschlösser in Brandenburg – und weitgehend barrierefrei. Alle Museumsbereiche sind mit einem Aufzug stufenlos erreichbar. Die Wege im Schlossmuseum sind gut berollbar, die meisten Türen doppelflügelig und ausreichend breit. Höhepunkte sind die Porzellankammer mit kunstvollen Etagèren sowie der prächtige und ebenfalls überwiegend barrierefreie Schlossgarten. Am Abend des 16. Augusts findet hier die Schlosspark-Nacht mit Silent-Disco, Bühnenprogramm und Lichtinstallationen statt.

Erfurt: Krämerbrücke, Zitadelle Petersberg und Unesco-Welterbe

3. Krämerbrücke

Es ist die längste, durchgehend bebaute Brücke Europas – und ein beliebtes Fotomotiv: die Krämerbrücke in Erfurt. In diesem Jahr feiert das steinerne Bauwerk seinen 700. Geburtstag. Höhepunkt im Jubiläumsjahr ist das Krämerbrückenfest vom 13. bis 15. Juni mit Kunsthandwerk, Gaukelei und Musik im gesamten Altstadtkern. Auch Menschen mit Einschränkungen können daran teilhaben. Mit einer Begleitperson ist das Pflaster gut zu bewältigen. Ausgewiesene Parkplätze erleichtern die Anreise.

4. Zitadelle Petersberg

Die Zitadelle Petersberg krönt als einzige weitgehend erhaltene barocke Stadtfestung Mitteleuropas die Erfurter Altstadt. Noch bis November entführt die Sonderschau „Paradiesgärten – Gartenparadiese“ in der ehemaligen Klosterkirche in Thüringens schönste historische Gärten. Seit 1990 wird die Festung unter großem Aufwand rekonstruiert. Der Panoramaaufzug, das moderne Besucherzentrum sowie die nach „Reisen für Alle“ zertifizierte, interaktive Dauerausstellung ermöglichen ein barrierefreies Petersberg-Erlebnis.

5. Unesco-Weltkulturerbe „Jüdisch-mittelalterliches Erbe in Erfurt“

Eine weitere Entdeckung in Erfurt ist das Unesco-Weltkulturerbe „Jüdisch-mittelalterliches Erbe in Erfurt“. Eindrückliche Bauzeugnisse wie die Alte Synagoge aus dem 11. Jahrhundert sowie die Mikwe, ein Ritualbad aus dem 13. Jahrhundert, dokumentieren eindrucksvoll die jüdische Geschichte und Kultur im mittelalterlichen Mitteleuropa. Beide Gebäude sind nach „Reisen für Alle“ zertifiziert, auch Assistenzhunde sind willkommen. Für Menschen mit Einschränkungen gibt es spezielle Führungsangebote.

Magdeburg: Dom, Dommuseum und Kunst im Kloster

6. Magdeburger Dom

Auch Magdeburg beeindruckt mit einer Fülle historischer Stätten. Ein Pflichtbesuch ist der Magdeburger Dom, der mit seinen beiden mehr als 100 Meter hohen Türmen das Stadtbild dominiert. Es war der erste gotische Sakralbau auf deutschem Boden und ist bis heute eine der beeindruckendsten Kathedralen in Deutschland. Besuchermagnet ist das hier befindliche Grab des ersten deutsche Kaisers, Otto I. Besucher mit Einschränkungen finden unter anderem einen ebenerdigen Zugang, Rampen sowie barrierefreie WCs.

7. Dommuseum Ottonianum

Direkt neben dem Magdeburger Dom lädt das Dommuseum Ottonianum zur Zeitreise. Es ist eines der bedeutendsten historischen Museen der Stadt und widmet sich der Geschichte und Bedeutung der Ottonen-Dynastie, insbesondere Kaiser Otto I., sowie der faszinierenden Geschichte Magdeburgs. Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer ist auch hier selbstverständlich. Blinde Besucher können dank Audioguide, einer Broschüre in Brailleschrift und zahlreichen Tastobjekten teilhaben.

8. Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen

Moderne Kunst im historischen Kontext: Das bietet das Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen in Magdeburg. Unter seinen romanischen Rundbögen ist heute Magdeburgs bedeutendste Sammlung zeitgenössischer Kunst zu sehen. Noch bis Mitte Juni zeigt das Haus die Sonderschau „Opération Béton“, die sich dem prägenden Material der modernen Architektur auf künstlerische Weise nähert. Eine Reverenz an seine sakrale Vergangenheit ist die Skulpturenausstellung im Tonnengewölbe. Eine Zertifizierung nach „Reisen für Alle“ garantiert weitgehende Zugänglichkeit.

Eifel: Digitale Entdeckertour und frühes Bäderwesen

9. Ulmener Entdeckertour und Ulmener Maar-Stollen

Weit in den Westen Deutschlands lockt der Natur- und Geopark Vulkaneifel mit seiner einmaligen Landschaft. Spannend ist die Kombination aus Geologie und Geschichte. Zur digitalen Zeitreise durch das charmante Städtchen Ulmen lädt die digitale „Ulmener Entdeckertour“. An 24 „Pickpoints“ rund um Stadt, Burgruine, Ulmener Maar und Jungfernweiher machen per QR-Code abrufbare Videoausschnitte die Geschichte des Ortes lebendig. Der etwa vier Kilometer lange Rundgang ist barrierearm. Ausgewählte Stationen stellen Inhalte in Leichter Sprache oder in Gebärdensprache bereit.

Höhepunkt der Tour ist der Ulmener Maar-Stollen. Im 120 Meter langen, unterirdischen Verbindungsstück zwischen Ulmener Maar und Jungfernweiher erleben Besucher ein Stück Erdgeschichte: In den Wänden sind noch die Sedimente und funkelnden Mineralien aus der Entstehungszeit der Eifel zu sehen. Einst formte vulkanische Aktivität die Maare, die heute unverwechselbare Landmarken in der Naturkulisse der Eifel sind. Mystische Lichteffekte machen die Entdeckungstour zum Erlebnis. Der Stollen ist barrierearm und ebenerdig.

10. Kurfürstliches Schlösschen im Kurort Bad Bertrich

Zur Geschichte der Eifel gehört die Nutzung der hier vorhandenen Thermalquellen. Schon die Römer kannten die positiven Effekte des natürlich heißen Mineralwassers. Die ersten Kurhäuser und Bäder in der nachantiken Zeit entstanden im 18. und 19. Jahrhundert. Ein charmantes Beispiel des frühen Bäderwesens ist das Kurfürstliche Schlösschen im Kurort Bad Bertrich. Mit liebevoll gepflegtem Kurgarten ist Deutschlands ältestes Staatsbad heute das Kulturzentrum der Stadt. Nächste Highlights sind das Pfingstkonzert am 9. Juni sowie das Bad Bertricher Bierfestival mit Sommernachtstanz am 11. und 12. Juli. Garten sowie Kurgebäude sind barrierefrei begehbar.

Über weitere barrierefreie Reise- und Ausflugsziele informiert die Arbeitsgemeinschaft Leichter Reisen unter: https://www.leichter-reisen.info/