Yvonne Schön, langjährige Marketing- & Sales-Managerin des Branchenprimus Locaboat, blickt auf die Entwicklung der Gästezahlen, auf Innovationen in der Branche und auf die Zukunft des Hausbooturlaubs in Europa.
Hausbooturlaub erfreut sich seit einigen Jahren immer größerer Beliebtheit – doch bei Europas führendem Anbieter Locaboat blickt man nicht nur auf Rekordjahre zurück, sondern auch auf anspruchsvolle Zeiten. Im Interview erläutert Yvonne Schön, Marketing- & Sales-Managerin bei Locaboat, wie sich die Nachfrage seit 2019 verändert hat, welche Rolle die Corona-Pandemie für das Reiseverhalten spielte, welche Chancen sich heute daraus ergeben und warum Themen wie Ökologie, Komfort und Digitalisierung die Zukunft bestimmen. Ein Gespräch über entschleunigtes Reisen, Herausforderungen in der Branche und warum der Reiz des Hausbooturlaubs nach der Meinung der Expertin auch in Zukunft ungebrochen bleibt.
Hausbooturlaub ist weiter im Aufwärtstrend – wie blickt Locaboat auf die Entwicklung der Gästezahlen und auf die aktuelle Buchungssituation?
„Bereits 2019, also vor der Corona-Pandemie, verzeichneten wir ein solides Wachstum. Der Trend zu individuellen, naturnahen Reiseformen war schon damals klar erkennbar – Hausbooturlaub passte perfekt in diese Entwicklung. In den Jahren 2020 und 2021 hat die Pandemie dann für eine nochmals verstärkte Nachfrage gesorgt. Viele Menschen suchten nach sicheren, kontaktarmen Reiseformen in der Nähe – das Urlauben auf dem Hausboot im eigenen Rhythmus war eine naheliegende Wahl. Leider wurden wir trotz dieses Interesses durch pandemiebedingte Reisebeschränkungen stark ausgebremst, da diese ohne plausiblen Grund auch für Hausbootferien galten. Das führte trotz hoher Nachfrage zu Umsatzeinbußen. Das Jahr 2022 war wiederum ein Rekordjahr für uns – wir lagen über dem Niveau von 2019. Besonders die Mecklenburgische Seenplatte war nahezu ausgebucht. Das hat uns gezeigt: Wenn Reisen möglich ist, setzen viele Menschen auf das Hausboot als individuelle, entschleunigte Urlaubsform. In den Jahren 2023 und 2024 haben wir einen Rückgang gespürt. Die Leute zog es nach der Pandemie wieder verstärkt ins Ausland, außerdem hatten wir mit der allgemeinen ökonomischen Unsicherheit in Deutschland zu kämpfen – Inflation, Energiepreise, Ukraine-Krieg. Das hat das Buchungsverhalten spürbar beeinflusst. Für 2025 sehen wir nun erneut ein leichtes Wachstum. Der langfristige Trend bleibt aus unserer Sicht klar: Menschen suchen nach individuellen, flexiblen Reiseformen, die Naturerlebnisse bieten – genau das, wofür Hausbooturlaub steht. Das macht uns optimistisch für die kommenden Jahre.“
Hausbooturlaub hat sich in den vergangenen Jahren stark weiterentwickelt – was hat sich bei Locaboat in Bezug auf Komfort, Technik, Nachhaltigkeit und neue Reviere verändert?
„Die Entwicklung des Hausbooturlaubs in den letzten Jahren ist enorm. Bei Locaboat haben wir kontinuierlich in Innovationen investiert, um unseren Gästen ein modernes und komfortables Urlaubserlebnis zu bieten. Ein Beispiel ist die Einführung der neuesten Generation unseres eigenen Bootstyps, der Pénichette Neo. Das neue Modell ,Neo‘ kombiniert traditionelles Design mit modernster Technik und ist ein bedeutender Schritt in Richtung Komfort und Nachhaltigkeit. Neben der technischen Weiterentwicklung haben wir auch unser Angebot an Revieren erweitert. Seit 2024 neu im Programm sind beispielsweise die Saale in Deutschland und die Charente im Westen Frankreichs. Unsere Flotte wurde ebenfalls vergrößert, insbesondere in den Niederlanden, wo wir weitere Boote der Europa-Klasse am Starthafen Loosdrecht, südlich von Amsterdam, stationiert haben. Diese Boote bieten Platz für bis zu sechs Personen und sind ideal für Familien und Gruppen.“
Die angesprochene Pénichette Neo wurde vor wenigen Wochen erstmals zu Wasser gelassen. Was zeichnet diese neue Bootsklasse aus – und was können Gäste erwarten?
„Mit der Pénichette Neo haben wir seit dieser Saison ein neues Flaggschiff in unserer Flotte. Seit der Einführung der ersten Pénichette im Jahr 1977 steht dieser Bootstyp für einfache Bedienbarkeit, Robustheit und ein charmantes Design – ideal für Paare, Familien und Hausboot-Neulinge. Die neue Neo-Generation bringt diesen Klassiker nun auf ein ganz neues Komfortniveau. Das Hausboot, das exklusiv für Locaboat auf unserer eigenen Werft im französischen Cholet entwickelt und gebaut wird, bietet drei vollwertige Kabinen und Platz für bis zu sechs Personen. Zu den neuen Annehmlichkeiten zählen eine Sommerküche mit Plancha auf dem Oberdeck, eine großzügige Sonnenliege auf dem Vorderdeck und eine gemütliche Sitzbank im Bug. Für maximalen Fahrkomfort sorgen sowohl ein Bug- und Heckstrahlruder, ein doppelter Steuerstand, eine Klimaanlage sowie ein leistungsstarker 50-PS-Motor mit Hydraulikantrieb. Natürlich ist auch die Neo führerscheinfrei steuerbar – wie alle Boote in unserer Flotte. Die Pénichette Neo ist aktuell in einigen unserer französischen Reviere verfügbar – darunter am Canal du Midi, in der Camargue, im Elsass und Burgund. Für 2026 sind bereits weitere Boote dieses Typs in Planung, dann auch für unsere Standorte in den Niederlanden und Deutschland.“
Welche Entwicklung erwarten Sie beim Hausbooturlaub in den kommenden Jahren – und welche Strategie verfolgt Locaboat?
„Wir sehen im Hausbooturlaub auch langfristig großes Potenzial – insbesondere durch gesellschaftliche Trends wie Nachhaltigkeit, Mikroabenteuer und den Wunsch nach individuellem Reisen abseits des Massentourismus. Die Nachfrage wird sich weiterentwickeln, und wir richten unsere Strategie gezielt darauf aus. Dabei setzen wir vor allem auf qualitatives Wachstum: Unsere Flotte wird weiter modernisiert, ältere Modelle werden schrittweise ersetzt. Mit neuen Bootstypen wie der Neo, einer verstärkten Digitalisierung und verbesserten Serviceleistungen investieren wir gezielt in unsere Kundenzufriedenheit. Gleichzeitig stärken wir die Kundenbindung – etwa mit unseren Treueangeboten für Wiederholer. Im Bereich Innovation beschäftigen wir uns intensiv mit Themen wie Elektrifizierung, Barrierefreiheit und Smart-Services an Bord. Parallel dazu planen wir eine leichte Expansion mit neuen Häfen, den gezielten Ausbau unserer Präsenz in beliebten Revieren und einen Ausbau unseres Eignerprogramms. Mit diesem bieten wir Privatpersonen die Möglichkeit, ein eigenes Hausboot zu erwerben und gleichzeitig von einem attraktiven Rundum-sorglos-Modell zu profitieren. Während Locaboat den kompletten operativen Betrieb übernimmt – von Wartung und Reinigung bis hin zur Buchung und Vermietung –, genießen Eigner jährlich bis zu fünf Wochen Eigennutzung. Das Konzept verbindet attraktive Renditechancen mit minimalem Aufwand für die Eigentümer. Als Teil des Locaboat-Netzwerks profitieren Besitzer der Boote zudem von besonderen Vorteilen und einem persönlichen Zugang zur Welt des Hausbooturlaubs.“
Mit welchen Herausforderungen ist Locaboat und die gesamte Branche in den kommenden Jahren konfrontiert?
„Wie die gesamte Branche stehen auch wir bei Locaboat vor einer Reihe von Herausforderungen, die uns in den kommenden Jahren begleiten werden. Eine zentrale Problematik sind die zunehmend maroden Wasserwege in vielen Regionen Europas. Defekte Schleusen oder unzureichend instand gehaltene Infrastruktur führen immer wieder zu Einschränkungen im Fahrbetrieb und erfordern langfristig deutlich mehr finanziellen Einsatz von Seiten der öffentlichen Hand. Zudem spüren wir – wie viele Tourismusbetriebe – den Fachkräftemangel, insbesondere in technischen Bereichen und im operativen Betrieb an den Basen. Gute, verlässliche Teams sind entscheidend für ein positives Gästeerlebnis, deshalb investieren wir besonders in Ausbildung und Bindung unserer Mitarbeitenden. Ein weiteres Spannungsfeld liegt in der Nachhaltigkeit: Wir wollen unsere Flotte konsequent ökologisch modernisieren, doch das erfordert hohe Investitionen. Hier die Balance zwischen Umweltbewusstsein und wirtschaftlicher Tragfähigkeit zu finden ist eine große Aufgabe. Als ein weiterer Punkt sind die zunehmenden Wetterextreme zu nennen: Trockenperioden und Hochwasser beeinflussen die Wasserstände auf vielen Strecken – mit teils erheblichen Auswirkungen auf die Befahrbarkeit. Das verlangt von uns große Flexibilität in der Routenplanung und starke Partnerschaften mit den Wasserstraßenverwaltungen.“